Paris! Wer denkt da nicht sofort an den Eiffelturm, die (Avenue des) Champs-Élysées, den Louvre und all die anderen berühmten Attraktionen dieser pulsierenden Weltstadt. Doch wie eine klassische Touristentour sollte, wie bereits in der Ausschreibung angekündigt, unsere 5-tägige Reise rund um das Pfingstwochenende nicht werden. Wir, das war eine buntgemischte 23-köpfige Gruppe, die neugierig erfahren wollte, was Paris noch so „für all unsere Sinne“ bereithält, wie Heike uns immer wieder verheißungsvoll schmunzelnd auf die vor uns liegenden Besonderheiten einstimmte.
Denn wer von uns kannte schon vor der Fahrt den „Königlichen Platz“ Place des Vosges, der im einstigen jüdischen Zentrum Marais liegt und als einer der schönsten von Paris gilt? Wer hätte gedacht, dass wir bald staunend vor einem 11,5 m hohen Abbild der Freiheitsstatue von New York stehen werden, einem Geschenk amerikanischer Bürger an Paris anlässlich des 100-jährigen Jahrestages des Sturms auf die Bastille?
Dorthin und an viele Stellen mehr führten uns Heike und ihre Tochter Annika mit ihren hervorragenden Französisch- und Ortskenntnissen sowie ihrem Organisationstalent – mal als gesamten Tross mal in getrennten Gruppen – zielsicher durch die Millionen-Metropole.
Und wahrlich: Diese Reise war ein echtes „Dauerfeuer“ für all unsere Sinne. Wenn auch oft mehrere dieser zugleich angesprochen waren, so sei mit dem begonnen, was wir alles erfühlen, tasten und spüren konnten:
Viele von uns erlebten das erste Mal, im TGV mit ca. 350 km/h fast erschütterungsfrei zwischen Karlsruhe und Paris über die Schienen zu „fliegen“. Dieser brachte uns in kurzer Zeit zum Gare de l’Est – nur wenige Fußminuten von unserem Hotel direkt neben einer Metro-Station entfernt.
Nach einer kurzen „Schnupperrunde“ wurde die Pariser U-Bahn zu unserem täglichen Standard-Transportmittel. Von geruhsam leeren Stationen bis hin zu Rushhour-gefüllten Zügen mit kompromisslos schließenden Automatiktüren haben wir alles erlebt. Bald hatten wir Übung darin, uns als große Gruppe geschickt aufzuteilen, um zügig – und vor allem vollzählig – ein- und austeigen zu können. Dabei kam wegen der regelmäßigen und kurzen Taktzeiten keine Hektik auf.
1x bei Sonnenuntergang und 1x bei helllichtem Tag gönnten wir uns eine rasante Fahrt in vertikaler Richtung: Mit bis zu 6 m/s fuhren wir im Aufzug (dem schnellsten Europas zum Eröffnungszeitpunkt) in die 56. Etage des Tour Montparnasse. Trotz dieser Geschwindigkeit waren die Fahrten ausgesprochen angenehm; nur bei der Abfahrt war ein Druckausgleich angebracht.
Wenn wir uns gerade nicht mit einem (Auf)Zug fortbewegten, war Laufen angesagt! Und da kamen täglich viele Schritte zusammen, so dass wir alle unsere (schwäbischen) Füße schon recht bald spürten.
Im 1. Berichtsteil ging es um unsere Eindrücke in Bezug auf Erfühlen, Tasten und Spüren. Und was bot uns Paris in puncto Hören?
Positiv überraschte uns der moderate Verkehrslärm ohne großes Chaos oder dicke Staus. Offenbar ist Autofahren in Paris wegen des extremen Parkplatzmangels unattraktiv geworden. Der ÖPNV ist mit Metro, RER, Tram und Bussen bestens ausgebaut. Zusätzlich gibt es weitläufige Radwege mit vielen öffentlichen Fahrrad-Leihstationen.
Klar, Paris ist nicht immer leise: Ohne das Rattern und Quietschen in der Metro würde diese gewiss an Flair einbüßen. Und ein Markt wie der Marché de Belleville mit seinen bunten Auslagen an frischem Obst, Gemüse, Gewürzen und übrigen Dingen des täglichen Bedarfs wäre ohne den fast Bazar-mäßigem Trubel nicht authentisch.
Auch bleibt uns die lautstarke Kulisse in der Privat-Brauerei Paname in Erinnerung, in der wir einmal regenbedingt in kuscheliger Enge aßen – eine Kult-Location für die jüngere Generation.
Umso mehr erstaunten uns die kleinen Oasen der Ruhe und unverhofften Beschaulichkeit inmitten der lebhaften Stadt. So schlenderten wir auf Kopfsteinpflaster durch das frühere Arbeiterviertel Butte aux Cailles mit niedrigen Häusern, während dahinter die Hochhäuser der Place d‘Italie aufragten. Oder mitten auf der Ile de la Cité (der größeren Seine-Insel) genossen wir auf der Place Dauphine die Ruhe und lauschten dem Vogelgesang. Anderntags spazierten wir durch die weitläufige Parkanlage Buttes-Chaumont rund um und über einen angelegten See. Obwohl gut besucht, war dies ein herrlich erholsamer Ort, so wie manch andere auf unseren Touren.
Schmecken und Riechen sind untrennbar mit köstlichem Essen verbunden, für das Frankreich und Paris weltberühmt sind.
Schon im Zug stimmte uns Annika mit leckeren Eiffeltürmen aus Mürbteig ein. Mittags bot dieser Kulturen-Schmelztiegel jede Art kulinarischen Genusses: Eritreisches Essen, das wir in kleinen Fladenstücken mit der Hand kosteten, wurde ebenso geboten wie eine typisch französische Brasserie, eine Crêperie, ein libanesisches sowie ein israelitisches Restaurant. Jedes ein großartiger und für viele ein bisher einmaliger Genuss.
Natürlich ließen wir uns von den Köstlichkeiten der Patisserie-Betriebe verführen und gönnten uns zu den abendlichen Picknicks ein paar Teilchen. Bereits der Einkauf für dieses Essen war Balsam für die Sinne: Frisch duftendes Baguette, aromatischer Käse mit Feigenmarmelade, würzige Schinken- und Wurstwaren sowie frisches Obst und Gemüse lachten uns aus den vielen Geschäften an. Dazu verschiedene, köstliche Weine und fertig war das perfekte Picknick, sei es auf der Esplanade in La Défense, im Jardin du Luxembourg oder wetterbedingt im Frühstücksraum des Hotels. Einige der Gruppe rundeten die Abende in einer nahgelegenen Bar ab.
Die ersten beiden Berichtseile drehten sich um Erfühlen, Tasten und Spüren sowie Hören, Schmecken und Riechen. Doch zu jedem Zeitpunkt unserer Reise war natürlich das Auge besonders gefordert.
Wie erwähnt war der Eiffelturm, der seit den Attentaten nur mit Hochsicherheitschecks und langen Wartezeiten zu besuchen ist, zwar kein direktes Ziel aber dennoch ein regelmäßig sichtbares Wahrzeichen. Ein einmaliger Wow-Moment war, als wir an der Metrostation Trocadéro um die Ecke traten und die „Eiserne Dame“, wie der Turm im Volksmund auch genannt wird, unvermittelt in voller Größe auftauchte. Später sahen wir vom Tour Montparnasse aus, wie Punkt 22 Uhr tausende Lichter an der Stahlkonstruktion zu blinken begannen. Auch im Bürodistrikt La Défense war der Eiffelturm zusammen mit dem Arc de Triomphe auf einem Bild einzufangen.
Zahlreiche weitere Programmpunkte reihten sich aneinander: So gönnte sich ein Teil der Gruppe einige Stunden im Schloss von Versailles und in dessen herrlichen Parkanlagen, während die übrigen sich die Bourse, das Centre Pompidou und die Neugestaltung von Les Halles anschauten.
Ein andermal teilte sich die Gruppe, um entweder Montmartre mit der Sacré-Ceur, einer alten Windmühle und einem alten Weinberg zu erkunden, oder die beiden Seine-Inseln Ile St. Louis und Ile de la Cité kennenzulernen. Auf letzterer befindet sich u.a. die Kathedrale Notre-Dame, deren Wiederaufbau nach dem Feuer im Jahr 2019 immer noch andauern.
Ein Höhepunkt war sicherlich die Kanalfahrt: Nach dem Start am Musée d’Orsay bog das Boot nach kurzer Strecke auf der Seine in den Canal St. Martin ab, wo zunächst ca. 2 km unterirdisch zurückgelegt wurden, um im Anschluss 27 Höhenmeter mittels 9 Schleusen zu überwinden.
Eine weitere Tour ging zur Arène de Lutèce, den gut restaurierten Resten eines römischen Amphitheaters, dessen Akustik einige zu einer Gesangsprobe animierte. Der nahegelegene Place de la Contrescarpe lud zu einer Erfrischung in einem der Cafés ein und war Ausgangspunkt zum Panthéon sowie einem gemütlichen Spaziergang durch die Marktstraße Rue Mouffetard. Hochinteressant war der anschließende Besuch in den Katakomben, das städtische Beinhaus aus dem 18. Jahrhundert in stillgelegten unterirdischen Steinbrüchen.
Unglaublich, wieviel wir in der kurzen Zeit sehen und erleben durften. Vieles davon war den meisten Teilnehmern vorher bestimmt nicht bekannt, da es sich eben nicht um die „TOP 10 Klassiker“ handelte – und dennoch (oder gerade daher?) war die Reise ein unvergessliches Erlebnis!
Paris – halt einmal anders! Gerd Gottwald
P.S.: Ein kleiner krönender Abschluss war eine besondere Leckerei: Auf der Heimfahrt wurde uns noch der von Annika selbstgemachte Schokolikör in essbaren Waffelbechern serviert – genau wie bereits beim Infoabend im Mai, womit sich dieser Kreis schloss.
Bilder zum Bericht in loser Reihenfolge